Steuerrechtliche Wegzugsbesteuerung aus Deutschland ab dem 1.1.2022

Steuerrechtliche Wegzugsbesteuerung aus Deutschland ab dem 1.1.2022

Ab dem 1. Januar 2022 wird ein Wegzug aus Deutschland insbesondere für Familienunternehmen und Unternehmerfamilien steuerlich massiv erschwert. Die Neufassung von § 6 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (AStG) tritt per 1. Januar 2022 in Kraft und bringt grundlegende Änderungen mit sich. Insbesondere die zinslose unbefristete Stundung bei Wegzügen von EU-/EWR-Bürgern innerhalb des EU-/EWR-Raums fällt zukünftig weg. Zudem werden der persönliche Anwendungsbereich, sowie die sogenannte Rückkehrerregelung neu definiert.

Unternehmer, welche darüber nachdenken, Deutschland für eine unternehmerfreundlichere Regierung zu verlassen, müssen sich bewusst sein, dass ein Wegzug aus Deutschland mit hohen steuerlichen Verbindlichkeiten einhergehen kann, insbesondere durch die sogenannte Wegzugssteuer.

Unter bestimmten Voraussetzungen müssen in Deutschland lebende Personen, die ins Ausland ziehen, ihre Beteiligungen an Kapitalgesellschaften der Einkommenssteuer unterziehen. Besteuert wird dabei der fiktive Gewinn aus dem Vermögenszuwachs beim Halten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt des Wegzuges aus Deutschland. Dieser fiktive Wert wird als Einkommen besteuert – ohne dass tatsächlich ein Verkauf stattfindet. Dies hat den Hintergrund, dass in den meisten Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht am Gewinn aus Veräusserungen solcher Beteiligungen dem Wohnsitzstaat zugewiesen wird. Mittels einer Wegzugssteuer sichert Deutschland sich daher das Recht, der bis zum Wegzug gebildete hypothetische Unternehmenswert in einer Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt des Wegzugs zu besteuern.

Das hat bereits heute den Effekt, dass allen Personen, die Beteiligungen an Kapitalgesellschaften von mindestens einem Prozent halten, insbesondere Unternehmern, ein Wegzug aus Deutschland massiv erschwert wird. Bis anhin waren im Gesetz Instrumente vorgesehen, welche die Erschwernisse beim Wegzug in ein Land des EU-/EWR-Raums wesentlich abschwächen.

Unter dem Deckmantel der europäischen Anti-Steuervermeidungsrichtlinie hat der deutsche Gesetzgeber allerdings nun auch die Wegzugsbesteuerung für privat gehaltene Gesellschaftsanteile neu gefasst. Es werden nachfolgend umschriebene Neuerungen eingeführt, die wesentliche Implikationen für Kapitalgesellschafter haben, die einen Wegzug aus Deutschland erwägen.

Nach aktuell noch geltendem Recht sind von der Wegzugsbesteuerung natürliche Personen betroffen, welche in den letzten fünf Jahren zu mindestens einem Prozent an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt waren, und die insgesamt seit mindestens zehn Jahren in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind. Dieser 10-Jahreszeitraum muss dabei nicht an einem Stück erfüllt werden, sondern es gelten alle Zeiträume bis zum Wegzug.

Mit der neuen Regelung im Umsetzungsgesetz gilt als Kriterium für die Besteuerung, anstelle der 10-Jahresfrist, eine mindestens siebenjährige unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland während der letzten zwölf Jahre. Bereits durch diese Verkürzung wird eine grössere Personengruppe davon betroffen sein.

Die wohl gravierendste Verschärfung ist aber der Wegfall der unbefristeten Stundung. Bis jetzt gab es bei einem Wegzug innerhalb des EU-/EWR-Raums die Möglichkeit, die geschuldete Steuer zeitlich unbegrenzt, unverzinslich und ohne Sicherheitsleistung zu stunden, solange der Pflichtige Staatsangehöriger eines EU/EWR-Staates ist und seine Anteile weiter hält.

Diese dauerhafte Stundung wird es im neuen Recht nicht mehr geben und genau das ist die Krux. Die Steuer wird ab dem 1. Januar 2021 sofort mit dem Wegzug fällig und ist zu bezahlen. Die Steuerpflichtigen haben einzig die Möglichkeit auf Antrag, die fällige Steuer über sieben Jahre in gleichen, unverzinslichen Raten zu bezahlen. Dafür müssen sie dem Finanzamt allerdings eine Sicherheit leisten. Unternehmensanteile werden als Sicherheit nicht akzeptiert werden.

Bedenkt man, dass es zu keiner tatsächlichen Veräusserung der Beteiligungen gekommen ist, kann das zu massiven Liquiditätsproblemen für die Pflichtigen führen. Zumal die Höhe der Wegzugssteuer sich nach dem persönlichen Einkommenssteuersatz des Steuerpflichtigen richtet. Ist also ein Steuerpflichtiger nicht in der Lage eine Sicherheit zu leisten deren Wert vom Finanzamt akzeptiert wird, wird die Steuer auch bei einem Umzug innerhalb der EU sofort fällig. Das kann für viele Personen faktisch einen Wegzug aus Deutschland verunmöglichen. Es droht ihnen anderenfalls, wollen sie ihre Beteiligungen nicht veräussern, eine Steuerforderung, die ihre liquiden Mittel um ein Vielfaches übersteigt.

Mit Hinblick auf den europäischen Grundsatz der Personenverkehrsfreiheit ist daher äusserst zweifelhaft, ob diese Vorschrift bestehen bleibt. Im Vergleich zu rein inländischen Umzügen, werden Umzüge innerhalb des EU-/EWR-Raums durch die Reform der Wegzugsbesteuerung wesentlich schlechter gestellt.

In Bezug auf die Schweiz, die in dieser Hinsicht trotz Freizügigkeitsabkommen als Drittstaat gilt, hat sich kürzlich der Europäische Gerichtshof mit der sofortigen Fälligkeit der Wegzugssteuer auseinandergesetzt. In seinem Urteil vom 26. Februar 2019 entschied er, dass die sofortige Besteuerung des Wertzuwachses eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt des Wegzugs in die Schweiz, gegen das zwischen der Europäischen Union und der Schweiz abgeschlossene Freizügigkeitsabkommen verstosse.

Die Reaktion des deutschen Gesetzgebers auf dieses Urteil spricht Bände. Anstelle einer Gleichbehandlung der Schweiz aufgrund des FZA wurde klargestellt, dass bei einem Wegzug in die Schweiz, die Steuer in fünf gleichen Jahresraten zu erfolgen hat, diese zu verzinsen sind und eine Sicherheit zu leisten ist. Von einer Gleichbehandlung kann also keine Rede sein.

Mit der Neufassung der Wegzugsbesteuerung, die per 1. Januar 2022 in Kraft tritt, kommt es keineswegs zu einer Korrektur der Ungleichbehandlung. Bei der Lösung der deutschen Regierung wird neu nicht mehr zwischen EU-/EWR- und Drittstaaten unterschieden, sondern es werden alle Wegzüge aus Deutschland so behandelt als handle es sich um Drittstaaten. Es wird keinerlei Differenzierung vorgenommen, in welchem Verhältnis der andere Staat zu Deutschland steht. In der Praxis bedeutet das, dass die deutsche Finanzverwaltung faktisch die Freizügigkeit für erwerbsbedingte Wegzüge in die Schweiz und in andere Staaten einschränkt und die Rechtsfolgen aus dem Urteil des EuGHs umgeht, indem sie alle Staaten gleich schlecht stellt.

Wer also in Deutschland lebt, wegzugssteuerpflichtig ist und einen Wegzug in ein anderes Land erwägt, sollte diese Verschärfungen beachten. Soll der Wohnort in ein anderes Land im EU/EWR-Raum verlegt werden, sollte in Betracht gezogen werden, dies noch im Jahr 2021 zu tun. So kann nämlich noch von der aktuellen Rechtslage und dadurch von der dauerhaften Steuerstundung profitiert werden. Für Deutsche, die ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegen wollen, bleibt das bittersüsse Bewusstsein, dass sie in Bezug auf die Wegzugssteuer ab 2022 weder besser noch schlechter gestellt sind als Personen, die ihr Domizil innerhalb der EU oder des EWR wechseln.

Bei Fragen stehen wir Ihnen zusammen mit unserem Netzwerk von deutschen Steuerberatern gerne zur Verfügung.